Wenn die Helfer selbst betroffen sind
„Zunächst einmal war da massive Betroffenheit. Wie damit umgehen, dass das Unvorstellbare geschehen ist?“ So erging es Hugo Nowicki, der als Pastoralreferent und nicht als Vorsitzender des Caritasrats seelsorgerisch auch für die Caritas-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bad Neuenahr-Ahrweiler Ansprechpartner ist.
Zwei Drittel der Mitarbeitenden im Caritas-Team sind selbst von der Flut betroffen, einige haben ihr Haus verloren. Für Hugo Nowicki ist es wichtig, dass die Menschen „ihre Erfahrungen und Empfindungen einfach schildern können.“ Das gilt für seine Gespräche mit Betroffenen und den Helferteams in Altenburg und Altenahr, das gilt für seine Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen bei der Caritas Ahrweiler. Immer wieder macht er die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darauf aufmerksam, „auch sich selbst in den Blick zu nehmen. Schauen sie, den eigenen Tank selbst immer füllen zu müssen.“
Nadine Jüsgen ist eine der stark betroffenen Mitarbeiterinnen. Auch sie muss das Erlebte erst einmal verarbeiten. Es war ein ganz normaler Abend, als am 14. Juli im Hause Jüsgen das Licht ausging. Tief in der Nacht jedoch wurden Familienmitglieder von einem starken Rauschen geweckt. Die Ahr hatte sich ihren Weg bis zum Haus gebahnt und in Parterre stand man bereits knöcheltief im Wasser, so Nadine Jüsgen, die mitverfolgen konnte, „als das Wasser in nur 20 Minuten bis zur ersten Etage gestiegen und die Treppe fast völlig vollgelaufen war.“ Die Nacht verbrachte die Familie in der ausgebauten Dachwohnung, wobei ein paar Batterie-Lichterketten ein wenig Licht spendeten. Immer schaute die Caritas-Mitarbeiterin herüber zum Nachbarhaus, wo sie das Steigen der Flut bis zum Scheitelpunkt mitverfolgen konnte. Als das Wasser nicht mehr zu steigen schien, war ein wenig Erleichterung spürbar. „Nachmittags gegen 14:00 Uhr konnten wir dann wieder raus, standen aber immer noch knietief im Wasser. Wir packten unseren Rucksack und gingen zu meinem Vater.“ Baucontainer und viele Dinge von der gegenüberliegenden Baustelle lagen im Garten. Auch das Auto war geflutet.
Erst später sah Nadine Jüsgen das ganze Ausmaß: „Ich stand am nächsten Tag da, war völlig ruhig und dachte nur, meiner Familie geht es gut. Es ist auch okay, wenn sie das Haus abreißen müssen. Was ich wirklich brauche, sind die Menschen um mich rum.“ Bald nach dem Aufräumen war sie schon wieder bei der Caritas tätig. „Zu arbeiten tut eigentlich gut. Das lenkt ab, und man kann auch was tun. Der Alltag tut gut. Es tut gut, die Kollegen wiederzusehen. Dass alle wohlauf sind, war gut zu hören, wobei einige ihre Häuser verloren haben.“ Auch in ihrer Nachbarschaft wächst der Zusammenhalt. „Jeder hilft und man achtet mehr aufeinander. Jetzt muss es aufwärtsgehen“, sagt Nadine Jüsgen mit einem positiven Blick in die Zukunft, wobei auch sie weiß, dass es für alle ein langer Weg hin zu mehr Normalität sein wird.